Klodin Erb ist eine Vollblut-Malerin in der postmedialen Phase der Malerei. Während sie mit Pinsel, Ölfarbe, Acryl, Tusche, Sprayfarbe, Pigment, Leinöl, Dispersion und Lack auf Papier, Holz und Leinwand berückende Gemälde schafft, ist sie genauso mit bewegtem Bild, Musik, Performance, Stoff und Schere malerisch tätig. Nicht umsonst bezeichnet sie sich als Grundlagenforscherin dessen, was Malerei ausmacht und beschäftigt sich mit den Spuren des kollektiven Bildge- dächtnisses.
Ausgebildet in Malerei begann ihre Forschung Ende der Neunziger Jahre zunächst mit bedruckten, gemusterten Stoffen. Klodin Erb baute verschachtelte minimale Installationen und befreite kleingemusterte Textilien von ihrer Biederkeit. Sie zeigte was passiert, wenn die Bildfläche sich in den Raum klappt, untersuchte die Wirkung von Wiederholungen, sowie die symbolische Wurzel der Motive, die wir im Alltag meistens nur als visuelle Strukturelemente wahrnehmen.
Klodin Erbs Erkundung der Malerei führte dann weiter zur Performancekunst, indem sie zusammen mit der Künstlerinnen-Gruppe «mit» die sozialen Bräuche des Kunstbetriebs zu untersuchen begann. Dabei inszenierte die Gruppe subversive, neue Vernissagen-Rituale und half, das Bewusstsein für die genderspezifische Wahrnehmung von Künstler:innen zu schärfen.
Ab 2005 dann kehrte Klodin Erb zur herkömmlichen Malweise zurück. Seitdem hat sie nicht nur mit Furor, Hintersinn und Abenteuerlust gemalt, sondern auch Collagen hergestellt, Filme gedreht und Malperformances vor Publikum durchgeführt. Sie erweist sich dabei als stete Sucherin nach dem «vollkommenen Bild» und als Erforscherin der Sprachfähigkeit von Malerei mit ihren historischen wie zeitgenössischen visuellen Sprachformen.
Postmedial ist die Malerei heute deshalb, weil sich ihre Prinzipien nicht auf Farbmaterial, Leinwand und Pinsel beschränken. Vielmehr hat sich die Arbeitsweise und Wirkmacht von Malerei auf andere Medien übertragen. Und so kann alles, was Klodin Erb im Rahmen der Kunst macht, als Malerei verstanden werden. Auch wenn sie in ihren Videos absurde Geschichten erzählt, wie diejenige einer Zitrone, die durch verschiedene Räume, Zeiten und Realitätsebenen rollt. Auch dann nutzt Klodin Erb das Vermögen der Malerei, Geschichten zu erfinden und eine Welt zu erschaffen, die keiner Plausibilität bedarf.
Denn schon lange bevor es digitale Welten oder NFT-Zertifikate gab, war die Malerei nämlich das spektakulärste und virtuellste aller Medien. Alles, was Malerei zeigt, ist erfunden, fiktiv oder reicht über die Realität hinaus. Malerei schafft stets ihre eigene Wirklichkeit. Ob sie nun naiv ist oder geschickt konstruiert, realistisch oder abstrakt. Jedes gemalte Bild ist eine Behauptung. Es behauptet eine Sichtweise, eine Empfindung, eine Zusammenkunft von Gedanken, die sich ausserhalb der Sprache artikuliert, und die sich jenseits der alltäglichen Logik bewegt.
Doch hat jedes Bild seine eigene Gesetzmässigkeit, seine eigene Bauweise und seine eigenen Kommunikationsregeln. Und was uns Klodin Erb in ihrem Werk unermüdlich vorführt, ist die stete neue Verknüpfung der vielen Ebenen der Malerei, ihrer narrativen und sprachlichen Dimensionen sowie ihrer sinnlichen Performanz. Ob sie nun in die Geschichte der Malerei eintaucht oder sich der visuellen Kommunikation von Werbung bedient, ob sie auf Emojis, Icons oder Memes aufbaut oder bei Rembrandt und Rubens abschaut, es geht Klodin Erb stets um das ungebrochene Vertrauen in die kommunikative Potenz von Malerei. Dabei untersucht sie auch unaufhörlich den Moment, wo das Malerische, der Gestus, die Kraft der Farbe sinnstiftend wird.
Es überrascht nicht, dass eine Künstlerin, die ihr Medium in so vielen Gestalten pflegt, sich auch mit dem sozialen und politischen Potenzial von Wandelbarkeit beschäftigt. Virginia Woolfs «Orlando» war ihr Inspiration für ihre Porträtserie von 2013-2021 und ihre gleichnamige Publikation, in der 180 verschiedene Porträts abgebildet sind. Diese zeigen uns einmal mehr die Varietät von Klodin Erbs Malsprachen und verkörpern zugleich ein absolutes Bekenntnis zu einer Gesellschaft, in der diese Unterschiedlichkeit gefeiert wird. So möchte ich anfügen, dass Klodin Erb nicht nur eine brillante Grundlagenforscherin der Malerei ist, sondern auch eine furchtlose Akt vistin der Diversität. Für das alles hat sie mit Recht diese Auszeichnung, die einer Schwester im Geiste gewidmet ist, erhalten.